Die Braubranche hat sich nach Covid wieder erholt. Doch die aktuelle finanzielle Lage und eine veränderte Stammtischkultur haben einen Einfluss auf den Bierkonsum. Der Verband begegnet diesen Herausforderungen mit einer starken Berufsausbildung, einer gelebten Bierkultur, Events und einer aussergewöhnlichen Biervielfalt.
Herr und Frau Schweizer trinken rund 54 Liter pro Kopf und Jahr. «Der langjährige Trend zeigt leider nach unten», konstatiert Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes SBV. Rund 50 bis 60 Brauereien in der Schweiz brauen über 1’000 Hektoliter Bier pro Jahr. Diese Brauereien stehen für rund 98 Prozent der Schweizer Bierproduktion. Ein Prozent der inländischen Bierproduktion wird exportiert und der Import liegt bei 21 Prozent.
Mit dem Ende des Bierkartells 1991 folgte eine Zeit der Neuorientierung. Ab 2008 setzte dann eine Dynamik ein: Neue (alte) Biere wie India Pale Ale (IPA), Porter, Stout, Geuze etc. wurden wieder entdeckt. Brauereigründungen erlebten einen Boom. Verzeichnete die Schweiz 1990 noch 32 Brauereien, sind es heute rund 1’200. «Allerdings hat der Boom in den letzten vier Jahren etwas nachgelassen. Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise, Fachkräftemangel sowie eine schwächelnde Gastronomie als wichtiger Absatzkanal belasten die Brauereien», stellt Kreber fest.
Ein wichtiger Grund für den Brauerei-Gründungs-Boom der letzten Jahre ist die liberale Gesetzgebung. «Wer in der Schweiz Bier braut, ist grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Ausnahme bildet das Brauen für den Eigenkonsum, welcher auf 400 Liter (4 Hektoliter) pro Jahr begrenzt ist», so Kreber. Wird mehr gebraut oder das Bier verkauft, setzt automatisch die Steuerpflicht ein, mit der Konsequenz, dass die Brauerei – und mag sie noch so klein sein – im Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien geführt wird. Somit finden sich auf der Liste der registrierten Brauereien auf der einen Seite die grossen Namen der Braubranche und auf der anderen Seite die Kleinstbrauereien aus dem Nachbarsdorf.
Gelebte und innovative Bierkultur
«Die Schweiz entwickelt sich zu einer Biernation. Die letzten 20 Jahre haben wir alle eine riesige Entwicklung durchgemacht. Wir entdecken das Bier nicht nur als Durstlöscher, sondern auch als Essensbegleiter und Kulturgut», sagt Kreber. Die Bierkultur wird gelebt. Der Tag des Schweizer Bieres, der Swiss Beer Award, der Bierorden «ad gloriam cerevisae», das Ausbildungsangebot zum/zur Schweizer Bier-Sommelier/-ere etc. sind alles Initiativen des Schweizer Brauerei-Verbandes, um das Image des Bieres in der Bevölkerung zu fördern und das Bierbrauen als jahrtausendealtes Kulturgut zu verankern. «Die Brauereien sind sehr innovativ unterwegs, wie beispielsweise die Rekordteilnahme am Swiss Beer Award 2024 zeigt, wo 550 Biere der Jury zur Beurteilung eingereicht wurden – und dies in über 40 Kategorien. Grundsätzlich gehen wir von gesamthaft rund 140 bis 150 verschiedenen Biersorten aus», sagt Kreber.
In aller Munde ist in den vergangenen Jahren das India Pale Ale (IPA). Aber auch Sauerbiere werden immer wieder als Geheimtipp gehandelt. Fakt ist aber, dass das Lagerbier oder das Schweizer Spezialbier nach wie vor die beliebtesten Biersorten sind. Sie stehen für rund 80 Prozent des in der Schweiz genossenen Bieres. Auch International ist momentan das Helle wieder stark gefragt. Einen grossen Stellenwert hat Alkoholfreies Bier: «Der Anteil am Gesamtmarkt wächst seit einiger Zeit kontinuierlich. Aktuell sind es gegen sieben Prozent.»
Innovative Förderung des Nachwuchses
Die Ausbildung zum/zur Bierbrauer/-in und die Förderung des Nachwuchses ist ein Schwerpunkt des Verbandes. Der Beruf des/der Lebensmitteltechnologe/-in Schwerpunkt Bier EFZ – ab 2025 lautet die Berufsbezeichnung Brau- und Getränke-technologe/-in EFZ – ist gefragt. Gemäss Kreber ist allerdings die Herausforderung, die Lehre den Schülern und deren Eltern auch bekannt zu machen. «Vielfach wissen noch viel zu wenige Lehrpersonen, Jugendliche aber auch Eltern um die Möglichkeit der Brauerlehre. Hier müssen wir ansetzen.» Der Verband ist indessen sehr aktiv in der Aus- und Weiterbildung. So koordiniert er im Rahmen der Ausbildung die Lernorte, informiert Schüler/-innen in Schulmagazinen über die Brauerlehre und setzt bei der Nachwuchsrekrutierung auch auf Social-Media-Aktivitäten. «Wir fordern unsere Lernenden heraus, in dem die Klasse des dritten Lehrjahrs die Aufgabe erhält, ein Bier zum Tag des Schweizer Bieres zu brauen. Das heisst, die Rezeptur entwirft, das Bier braut und abfüllt», so Kreber. Und er ergänzt: «Die angehenden Bierbrauer/-innen sind die Zukunft unserer Branche. An ihnen ist es auch, das Wissen über das Brauhandwerk weiterzugeben.» Jedes Jahr bietet der SBV zudem den ausgebildeten Bierbrauer/-innen der Mitgliedsbrauereien Weiterbildungskurse an, sei es in der Automation, Arbeitssicherheit etc.
Aber auch den Bier-Sommeliers und -Sommelieren kommt eine grosse Bedeutung zu. «Sie sind unsere Bierbotschafter/-innen. Wir starteten die Ausbildung zusammen mit GastroSuisse 2011.» Seither wurden über 800 Bier-Sommeliers/-ieren berufsbegleitend ausgebildet. Mit ihren Kenntnissen über das Brauen, die Bierkultur, Sensorik und Marketing beraten sie nicht nur Gäste, sondern auch Gastronomen/-innen, wenn es um die Zusammenstellung einer Bierkarte oder das Kombinieren von Speisen mit ausgewählten Bieren geht.
Der bald 150-jährige Verband ist auch auf politischer Ebene aktiv. Dabei geht es, sich für die unternehmerische Freiheit einzusetzen. Alkoholhaltiges Bier ist ein Genussmittel, welches bewusst und verantwortungsvoll konsumiert werden soll. Immer wieder werden aber Töne laut, welche die Werbemöglichkeiten beschränken wollen. Daneben wird bisweilen auch ein Mindestpreis für alkoholhaltige Getränke gefordert. Wir lehnen solche Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit klar ab», bringt es der SBV-Direktor auf den Punkt. Mit den gestiegenen Energie-, Rohstoff- und Beschaffungspreise sowie dem Fachkräftemangel weht ein bissiger Wind in der Branche. Die getrübte Konsumentenstimmung, das veränderte Konsum- und Ausgangsverhalten und das Verschwinden der Stammtischkultur sind weitere Herausforderungen.
Doch die Zukunftsaussichten der Branche ist trotz einigen Hürden gross. «Vor allem im Bereich der alkoholfreien Biere liegt noch viel Potential.»
Corinne Remund
DAS MACHT DER SBV
Die schweizerischen Bierbrauer erkannten in den 1870er-Jahren die Zunahme der Bierimporte als Bedrohung für die Weiterentwicklung ihrer Branche. Deshalb gründeten sie 1877 den Schweizer Brauerei-Verband SBV und legten statutarisch die gemeinschaftliche Wahrung der gewerblichen Interessen, den Erfahrungsaustausch sowie die Organisation und Weiterverbreitung wissenschaftlicher Vorträge fest. Hauptaufgabe des SBV ist die Förderung der beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder, aber auch die Rationalisierung im Braugewerbe durch Normierungen, Forschungen und Erfahrungsaustausch. Der Verband hat 38 Mitglieder mit je einem Mindestproduktionsmenge von je 1000 Hektoliter. In der Branche arbeiten rund 3’000 Beschäftigte direkt und circa 50’000 indirekt. Sie generiert rund eine Milliarde Franken.
CR