Die Renten aus den Pensionskassen sinken seit Jahren und sind für viele Arbeitnehmende zu tief. Mit dem BVG-Beschiss drohen den Versicherten zusätzliche Rentenkürzungen von bis zu 3200 Franken jährlich. Und dafür sollen sie jedes Jahr 2.1 Milliarden Franken mehr in die Pensionskassen einbezahlen. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB, erläutert, wieso die Berechnungen des BSV zur Reform der 2. Säule viel zu positiv sind und der Stimmbevölkerung ein irreführendes Bild vermitteln. Deshalb Nein zum BVG-Bschiss am 22. September.
Am 22. September stimmt die Bevölkerung über eine Änderung der beruflichen Vorsorge ab. Die Vorlage ist höchst komplex und zusätzlich sehr umstritten. Können Sie möglichst kurz und einfach erklären um was es geht bei der BVG-Reform?
Daniel Lampart: Wegen der Reform sinken die BVG-Renten der Leute mit einem mittleren Lohn. Weil man auf dem Alterskapital nur noch 6 statt 6.8 Prozent Rente erhält. Gleichzeitig steigen die Lohnabzüge. Für viele bedeutet das: mehr einzahlen für tiefere Renten.
Sie haben das Referendum dagegen ergriffen und lehnen die BVG-Reform ab. Was sind Ihre Hauptgründe?
Die Renten aus den Pensionskassen sinken bereits seit Jahren. Es müsste Verbesserungen statt Verschlechterungen geben. Den Pensionskassen geht es finanziell gut. Rentensenkungen sind unnötig und falsch.
Das Kernstück dieser Reform ist eine Senkung des obligatorischen Umwandlungssatzes um 12 Prozent. Was bedeutet diese konkret für jeden von uns?
Dadurch sinken die Renten um bis zu 3200 Franken jährlich. Besonders betroffen sind Arbeitnehmende über 50 Jahren und die Mittelschicht. Aber auch Jungen mit Löhnen über 4000 Franken pro Monat drohen zukünftig Renteneinbussen.
Fakt ist, dass bei niedrigen Einkommen mehr Lohn versichert wird und damit mehr gespart werden kann. Für Geringverdiener bedeutet das eine höhere BVG-Rente. Oder wie sehen Sie das?
Personen mit tiefen und sehr tiefen Löhnen bezahlen mit der Reform bis zu 2500 Franken mehr jährlich. Das ist sehr viel Geld. Trotzdem haben viele von ihnen später nicht mehr Rente, weil sie Ergänzungsleistungen beziehen müssen.
Sie nennen die Reform einen Renten-Beschiss. Wer wird denn konkret benachteiligt und wieso?
Die hart arbeitende Mittelschicht verliert am meisten, das ist nicht akzeptabel. Aber auch die Pensionierten sind betroffen. Weil es vielen Pensionskassen sehr gut geht, könnten sie 2025 einen Teuerungsausgleich zahlen. Wird die Reform angenommen, müssen die Pensionskassen hingegen neue Reserven bilden, statt endlich die Renten an die steigenden Preise anzupassen. Und so verlieren die Renten immer mehr an Wert.
Sie argumentieren mit der BVG-Reform steigen die obligatorischen Lohnabzüge. Ist das so?
Ja, die obligatorischen Lohnabzüge in die berufliche Vorsorge steigen für die Arbeitnehmenden um bis zu 2400 Franken pro Jahr. Trotzdem haben viele eine tiefere BVG-Rente, weil der Umwandlungssatz gesenkt wird.
Die grosse Mehrheit ist in Kassen versichert, die schon heute bessere Leistungen bezahlen, als das Gesetz vorschreibt. Betrifft die Reform nicht nur eine Minderheit?
Leider nein. Alle haben einen obligatorischen BVG-Teil, hier wird die Rentengarantie für alle gesenkt. Klar ist auch: Wenn das Obligatorium runter geht, werden alle Leistungen eher sinken als steigen.
Für Sie ist die Rentenreform eine Mogelpackung für Frauen. Können Sie das näher erklären?
Auch Frauen mit Löhnen über 4000 Franken haben eine tiefere BVG-Rente. Also Coiffeusen, Verkäuferinnen oder auch Ingenieurinnen. Für Frauen mit tieferen Löhnen ist die Reform sehr teuer. Sie müssen viel mehr einzahlen, für geringe Verbesserungen.
Die Frauenverbände, ihr Dachverband Alliance F, kämpft allerdings vehement für die Reform. Können die Frauenverbände nicht rechnen oder wieso befürworten sie diese Reform?
Wir haben genau hingeschaut: Viele Frauen mit mittleren Einkommen haben weniger Rente – obwohl sie wesentlich mehr ins BVG zahlen müssen. Für eine 49-jährige Angestellte einer Kita mit einem Lohn von 5400 Franken bedeutet die Reform 100 Franken Mehrkosten – und später dann 127 Franken weniger Rente pro Monat.
Sie stecken mitten im Abstimmungskampf. Wie sensibilisiert ist die Bevölkerung, welche Feedbacks bekommen Sie und wie stehen die Chancen, dass die Reform abgelehnt wird?
Die Bevölkerung ist alarmiert. Die Renten sind ihr Einkommen im Alter. Viele müssen heute mit einer PK-Rente von 1700 Franken oder weniger leben. Die Rentenverluste sind untragbar. Viele Mitglieder bestellen bei uns Material, um die Leute zu warnen. Das Abstimmungsresultat kennen wir am 22. September.
Interview: Corinne Remund