Inklusion – jetzt aber endlich von ganzem Herzen!

 


Mit spitzer Feder …


(Bild: zVg)

Rushhour auf dem HB Bern – Menschen eilen durch den Bahnhof, es herrscht eine Hektik, Dynamik und ein grosses Gewimmel. Wir kennen das alle – wenn jeder gestresst auf den Bahnsteig hetzt und wirbelt, um seinen Zug zu erreichen. Ich finde dies als «nichtbehinderter» Mensch anstrengend. Aber wie muss es sich anfühlen, wenn man im Rollstuhl sitzt oder geh-, seh- oder anderweitig körperlich behindert ist. Es ist schlicht und einfach eine Zumutung! Gerade diese Menschen sind in einer Gesellschaft – die meines Erachtens leider zu wenig rücksichtsvoll ist – ihren Mitmenschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Unsere Mitmenschen mit Handicap sind tagtäglich benachteiligt und ausgegrenzt und müssen meistens für ihre Rechte kämpfe, wobei die Augenhöhe mit dem Gegenüber oftmals zu wünschen übriglässt. Diesen Menschen klebt ein Leben lang der Stempel «Ich bin behindert» buchstäblich auf der Stirn. Wir verbinden in unserer Gesellschaft mit dem Wort «behindert» generell etwas Negatives. Und es scheint mir, eine Behinderung ist eine Eigenschaft wie eine Haar- oder Augenfarbe. Das Problem ist allerdings nicht die Behinderung, sondern die Bewertung, die darin steckt. Eine Behinderung ist aber letztendlich nichts Negatives und hat es nicht nötig, beschönigt zu werden. Die negativen Gefühle gegenüber Behinderungen haben wir aber fast alle verinnerlicht. Unter anderem durch Geschichten, Schulbücher oder Filme wie beispielsweise der legendäre Heidi-Film mit der behinderten Klara im Rollstuhl.

Rund 1.7 Millionen Menschen mit Behinderung leben in der Schweiz. In unserer Gesellschaft stossen sie allerdings Jahrzehnte nach Johanna Spiris «Heidi» noch immer auf zahlreiche Barrieren. Und dies, obwohl am 1. Januar 2024 in der Schweiz das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) in Kraft getreten ist. Dieses sieht unter anderem vor, dass innerhalb von 20 Jahren sämtlich öV-Haltestellen barrierefrei ausgestaltet werden sollen. Die Frist ist zwar abgelaufen, und es zeigt sich: Die Komplexität der Projekte sowie die begrenzten finanziellen Mittel stellen die Gemeinden und Städte als typische Haltestelleneigentümerinnen vor grosse Herausforderungen. Dies die diplomatische Antwort. Barrierefreie Zugänge in der Öffentlichkeit haben ganz einfach keine Priorität oder anders gesagt: Menschen mit Behinderungen haben in unserer Gesellschaft nicht denselben Stellenwert wie Menschen ohne Behinderungen. Sie gehören zu den Minderheiten, die gerne vergessen gehen. Das ist die traurige Realität – auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert der Hightech-Technologien. Doch, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Eindrückliche Beispiele dafür im Kanton Aargau sind die Stadtbibliothek in der Altstadt von Brugg und der pittoreske Schlosspark in Schöftland. Die Architekten haben es geschafft, mit grossem Geschickt diese historisch wertvollen Gebäude und Anlagen barrierefrei zu machen und bauliche Hindernisse zu beseitigen.

Und damit wären wir bei der Inklusions-Initiative. Damit sollen die Rechte von Menschen mit Behinderung gestärkt werden, indem die Bundesverfassung entsprechend angepasst wird. Sie fordert eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, eine freie Wahl des Wohnortes und der Wohnform sowie ausreichende Assistenzleistungen für alle Menschen mit Behinderung. Es ist äusserst bedenklich und ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft, dass die Inklusion bei uns noch immer im Argen liegt. Denn wie heisst doch die Präambel in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft: «Die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.» Unsere Gründungsväter haben sich das einst auf die Fahne geschrieben – jetzt gilt es, dies auch in der heutigen Zeit mit den heutigen Technologien und Optionen bestmöglich umzusetzen. Gerade deshalb geht Inklusion uns alle an. Ein Paradigmenwechsel ist überfällig. Denn die Vorurteile sind gesellschaftlich noch zu fest verankert. Sie sind verinnerlichte Wahrheiten, die nur durch das Anerkennen der Individualität einer behinderten Person, Inklusion und Reflexion langsam abgebaut werden können. Würden solche Vorurteile fortbestehen, wenn wir mit behinderten Menschen selbstverständlich aufwachsen würden? Ich denke nicht und glaube, mehr Begegnungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen herzustellen, ist sehr wichtig.

Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin

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